Milchkkühe auf Alpweide

Mellaudie der Berge


aHEU.BLOG unterwegs bei der Österreichischen Alpwirtschaftstagung 2019 in Vorarlberg //

Dienstag Mittag Anfang Juni bei heißem Sommerwetter im hübschen Dorf Mellau: Immer mehr Älplerinnen und Älpler finden sich ein und schwitzen mit dem feinen Buffet aus regionalen Käse-, Wurst- und Milchprodukten um die Wette. Die Vorarlberger Obmänner und Beamten begrüßen die Gäste herzlich.

Deko mit Senn-Utensilien Kupferkessel, Kästücher, Holzjärbe, Kelle
Senndeko

Man kennt sich; nicht umsonst ist immer wieder die Rede von der „Alpwirtschaftsfamilie“ – die alpwirtschaftlichen Vereine treffen sich mindestens jährlich zu einer Tagung irgendwo im deutschsprachigen Alpenraum. À propos Sprache: „Alp“ heißt es in alemannischen, „Alm“ in bairischen Dialekten, und Vorarlberg ist wie auch das Oberallgäu und die Schweiz alemannisch geprägt.

Erstens stehen dann politische Themen an. Aktuell wieder die alle paar Jahre neuauszurichtende GAP, die „Gemeinsame Agrar-Politik“ der EU, die die europa-, die bundes- und die landespolitische Gesetzgebung für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft rahmt. Darüber hinaus auch gewichtige Themen der Berglandwirtschaft wie die Rückkehr des Wolfes und die immer zahlreicheren Biker mit und ohne E. Zweitens ist bei den Alpwirtschaftstagungen neben dem Politischem aber auch die menschliche Begegnung, einfach das Gesellige wichtig. Und drittens freuen sich die Teilnehmer darauf, zu hören und zu sehen, wie es hier im Bregenzerwald zugeht. Denn allgemein gleicht in der Landwirtschaft kein Hof dem anderen, jede Alpe hat ihre Besonderheiten, und doch stellen sich viele Aufgaben ähnlich. Die Natur, die Gesellschaft und Gesetze sind überall.

Saal mit langen Tischen und Bühne
Fröhliche Tagung

Der Nachmittag ist gefüllt mit Grußworten (Walter Vögel, Josef Türtscher, Tobias Bischofsberger, Markus Wallner) und fachlichen Vorträgen zur Vorarlberger Alpwirtschaft (Martin Rusch), zum gesundheitlichen Mehrwert von Almprodukten (Angelika Kirchmaier), zur touristischen Bedeutung der Alpwirtschaft (Herlinde Moosbrugger – sie hat sehr anregend beleuchtet, wie Glück und Tourismus zusammengehören, also was ein Anbieter überhaupt tun kann, damit Gäste Schönes erleben), zur österreichischen Agrarpolitik (Johannes Fankhauser) und zur gesellschaftlichen Bedeutung der Alpwirtschaft (Josef Rupp). Hier das genaue Programm.

Es arbeiten circa 1.000 Menschen in der Vorarlberger Alpwirtschaft mit einem Altersdurchschnitt von nur 34 Jahren! Mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche Vorarlbergs wird alpwirtschaftlich genutzt, zwei Drittel aller Milchkühe gehören zur Rasse Braunvieh (juhuu!) und circa ein Drittel aller dortigen Milchkühe werden gealpt! Das ist viel. Und erklärt die vielen geschmackvollen Bergkäse aus dem Bregenzerwald. Funfact des Tages: Der häufigste Kuhnahme in Vorarlberg ist „Bella“, gefolgt von „Flora“.

Geiß und Kalb vor nebliger Bergweide
Wie diese beiden wohl heißen?

Zum Glück sind Programm und Redner hochwertig, sodaß der Saal trotz der Schwüle gut gefüllt bleibt. Bepackt mit einem Käsegruß von Alma machen wir uns auf den Rückweg zu den Unterkünften, erfrischen uns dort von außen mit duschen und von innen mit einem Bier vor dem Hotel. Dort warten wir im guten Trachtengewand darauf, daß es Zeit ist, aufzubrechen zum abendlichen Empfang der Vorarlberger Landesregierung.

Musikverein Mellau vor typischer Vorarlberger Architektur
Musikverein Mellau vor typischer Vorarlberger Architektur

Vor dem Dorfsaal empfängt uns die schmissige Mellauer Blasmusik unter Leitung von Mathilde Dietrich („Eine Dirigentin!“ höre ich rings um mich) und nach kurzen Ansprachen (Christian Gantner, Josef Moosbrugger) wird das exzellente Menü aufgetragen. Danach spricht noch Käsesommelier Caspar Greber über die Käsekultur Vorarlbergs.

Sall mit Publikum in Tracht applaudiert
Applaus beim Festabend

Dann brechen die meisten auf, einige versumpfen an der Bar im Dorfsaal oder vor dem Hotel. Morgen ist auch noch ein Tag…


Und was für einer! Grau ist alle Theorie – auf geht’s in die grasgrüne Praxis! Wie immer geht es nun auf Exkursion. Wir fahren mit den Bussen nach Damüls und dort mit der Uga-Bahn hinauf auf 1.800 m, wo das Wetter, zugegeben, auch erstmal grau war.

Alpgebäude der Alpe Uga
Erste Station: Alpe Uga

Von der Uga-Bahn geht es dann den ganzen Tag von Alpe zu Alpe in einem großen Bogen zur Mellau-Bahn: Alpe Uga, Alpe Mittelargen, Alpe Sack, Alpe Obere, Alpe Wurzach, Alpe Kanis plus der Alphof Roßstelle. Wir haben riesiges Wetterglück, denn Blitz, Donner und Regen gehen genau da hernieder, als wir alle im Stall einem Alpmeister lauschen.

Stall voller Menschen in Wanderkleidung
Im Trockenen ist gut zuhören

Danach bestes Wanderwetter mit angenehmer Temperatur, Sonne und klarer Luft.

Alpenrosen vor Bergpanorama
Alpenrosenpanorama

Für so manche ist die 3-tägige Fahrt der Jahresurlaub. Es ist schön, mit Gleichgesinnten unterwegs zu sein und hinter die Berg-Kulissen schauen zu dürfen. Auf den Wegen zwischen den Stationen läuft man mal mit dem, mal mit dem und unterhält sich prächtig mit alten und neuen Bekanntschaften.

Gebirgsbach
Bilderbuchbach

Allesamt sind wir begeistert vom Leben in den Bergen und erfreuen uns an den gepflegten Weiden, gut erhaltenen Hütten und vor allem dem zufriedenen Vieh.

Milchkühe auf Alpweide
Milchkühe der Alpe Kanis

Mein persönliches Highlight ist die blitzsaubere Sennküche der Alpe Mittelargen. Senn Michael Feurstein läßt sich von den vielen wißbegierigen Paparazzi weder von seiner Arbeit ablenken noch aus der Ruhe bringen. Mit beeindruckender Leichtigkeit wendet er die schätzungsweise 30kg-schweren frischen Käselaibe. Ein Bub assistiert ihm mit großem Interesse und erinnert mich an die Informationen tags zuvor zum reichen Nachwuchs an Vorarlberger Älplern.

Und dann haben die beiden uns auch noch Sennsuppe gemacht, auch „Segen“ genannt – die liebe ich!

Sennsuppe in Holzkübel mit Kelle
Sennsuppe

Was ist das? Schwierig zu sagen. Wenn aus dem Käsekessel die Käsemasse herausgenommen wird, bleibt Molke übrig. Erhitzt man diese und gibt Säure hinzu, fällt noch einmal Eiweiß aus. Diese ‚Flocken‘ werden zusammen mit etwas Molke abgeschöpft und warm gegessen. Es ist eine eigene Konsistenz und ein ganz milchiger, zarter, leicht süßlicher Geschmack. Sennsuppe war früher üblich als Essen auf der Alpe; heutzutage produzieren sie nurmehr wenige und ich glaube, es gibt nur Liebe oder Haß für sie!

Abends geht es talwärts mit der Bahn nach Mellau, und nach einem weiteren Drink auf der Hotel-Terrasse dann zu Tanz und Musik der Trachtengruppe Mellau vor dem Dorfsaal. Lustigerweise tanzt sie einen frisch einstudierten Boarischen samt Schuhplatteln – wie bestellt!

Lachende Männer in Oberallgäuer Tracht
Den Allgäuer ‚Büebe‘ gefallen die Plattler offensichtlich

Leider geht es für mich dann schon zurück nachhause. Der dritte Tag der Tagung hätte noch einmal mit einer halbtägigen Exkursion zu den Alpen Hintere Niedere und Kassa Wildmoos aufgewartet, die sicherlich auch schön war.

Insgesamt eine tolle Tagung – sehr professionell gestaltet und angenehm locker organisiert von Martin Rusch, Karin Steurer, Christoph Metzler und Robert Wehinger, den amtlichen Alpwirtschaftlern des Landes Vorarlberg. Vielen Dank für die fein mellaudiösen Tage!

Heike, 17. Juli 2019

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