Plätzchen mit Beschriftung auf Papier

Dinggeschichte: Laible-Faible


Eigentlich geht es hier bei den Dinggeschichten ja immer um handfeste Dinger. Heute nicht ganz. Denn heute geht es um meinen Laible-Faible (gesprochen „Laible-Fehbl“). „Laible“, so heißen im Allgäu die Plätzchen.

An meinem Laible-Faible bin ich völlig unschuldig. Meine Mutter hingegen trägt die volle Verantwortung. Denn sie bäckt schlichtweg die besten Plätzchen der Welt. Ist so. Geschmacklich, optisch, vielfältig, … Wobei ich auch nicht behaupten kann, daß meine Begeisterung nicht auch irgendwie vom mütterlichen Ritual rund um die kleinen Backstücke herrührt:

  • Spätestens im Spätsommer kommt per Mail an uns Geschwister die Aufforderung, sich Sorten zu wünschen. (Der Auswahlvorgang wird immer wieder angepaßt (würde den Rahmen hier sprengen))
  • Aus den gewünschten und neu auszuprobierenden Rezepten wird prozeßoptimiert eine Gesamtliste der Zutaten erstellt und entsprechend eingekauft – stets mit dem Hinweis, daß nur aus guten Zutaten auch gute Laible werden.
  • Am Wochenende vor dem 1. Advent erhalten wir freitags eine Nachricht à la „Es gibt Sekt!“. Das heißt übersetzt: „Ich backe jetzt!“ und nah und fern läuft uns das Wasser im Mund zusammen.
  • Dann hören wir bis Sonntag nichts außer vielleicht mal Geschimpfe über einen widerspenstigen Teig oder fehlerhafte Rezepte. Wir hören deswegen nichts, weil meine Mutter mit ausgefuchster Logistik in diesen drei Tagen je nach Jahr 12 bis 18 Sorten [sic!] Plätzchen bäckt.
  • Sobald eine Sorte fertiggebacken, gegebenenfalls verziert und ausgekühlt ist, wird sie in die entsprechend beschriftete Büchse verpackt.
Wäschekorb voller Keksdosen
  • Ist ein Wäschekorb voll, wird er in den Keller gebracht und auf das dort eigens aufgebockte Plätzchenbuffet ausgeräumt (das ist Aufgabe meines Vaters – nächstes Jahr gibt’s einen Artikel zu seinen Plätzchen-Pflichtchen!).
  • Der Abschluß des Back-Marathons kündigt sich mit Versand dieses Bildes an:
Plätzchenteller
Merke: Eine ausgewogene Dezember-Ernährung besteht aus mindestens 10 Sorten Laible!
  • Wenn alles Backen vollbracht ist, wird die Küche grundgereinigt. (In diesem Zuge wird auch adventlich dekoriert.)

Mittlerweile gehört bei meiner Mutter ein weiterer Punkt zum Ablauf:

  • Bilder der Plätzchen werden in den Whatsapp-Status geladen und an Freundinnen verschickt.

Das hätte ich ihr mal vor ein paar Jahren sagen sollen! Sie hätte mir einen Vogel gezeigt. Heuer hingegen postete sie folgendes Bild:

Plätzchen mit Beschriftung auf Papier

Als ich dieses Bild auf meinem Display sah, war ich völlig fasziniert – es war der Blitz der Erkenntnis, der mich traf: Meine Mutter tickt instagrammable! Und das schon immer, weit bevor es Instagram überhaupt gab! Dieses Bild zeigt ihren Sinn für Ästhetik und stetes Verbessern – sie wollte nämlich gleich der häufigen Frage begegnen „Was sind das für Sorten?“. Ihr wundervolles Schaubild hat mich zu diesem Artikel hier inspiriert.

Ja, ich habe tatsächlich einen gehörigen Laible-Faible. Heute ist der vierte Advent und ich kann es kaum erwarten, meine schon leergegessenen Dosen wieder aufzufüllen!

Plätzchendose
PS: Es gibt kein besseres Seelenfutter auf Geschäftsreisen (:

Mich faszinieren Dinge. Sie sind da. Sie sind nicht per Email zu schicken. Sie werden weitergegeben, verschenkt, weggeworfen, alt, kaputt, ganz, … Sie gehören jemandem und bedeuten Verantwortung, machen Mühe, erinnern einen. Und sie haben alle eine Geschichte. Manche erzähle ich hier in den „Dinggeschichten .

Liebster Dank an meine Mutter für die beiden ‚Klassenphotos‘ und daß ich diese Geschichte hier erzählen darf <3

Heike, 22. Dezember 2019


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