Ozeanien in den Alpen
aHEU.BLOG unterwegs beim Herbert Pixner Projekt meets Berliner Symphoniker //
Ganz tiefe Schnaufer geschehen mir immer wieder. Meine Schultern sind unten, hinten, weit, mein Brustkorb dehnt sich von der Fülle, die in ihn strömt, und entspannt sich wieder. Meine Ohren werden größer und größer – ich beginne zu verstehen, woher das Sprichwort „ganz Ohr sein“ kommt. Irgendwie löse ich mich auf. Ich bin in der Musik oder sie in mir oder ich weiß auch nicht, wie das ausdrücken.
Ich sitze auf einem roten Polstersitz am Bodensee und versinke, ja versinke in Musik. Und kann dabei tief atmen. Was ich in anderen Konzerten vielleicht in einem oder einigen Momenten erlebe, passiert mir beim Herbert Pixner Projekt über weite Strecken. Und das in jedem seiner Konzerte. So auch beim Konzert im Festspielhaus Bregenz.
Volksmusik – Jazz – Klassik
Ich war aufgeregt gewesen, als ich im Sommer vom neuen Programm „Symphonic Alps Tour“ gelesen hatte: Jetzt auch noch Klassik! OMG! Es kann nicht besser werden! (Unwahrscheinlich bei den Pixners (; ) Sofort hatte ich Karten bestellt und mich seitdem auf das Konzert gefreut, mein schätzungsweise zehntes seit 2012. Und seit dem hat mich das Herbert Pixner Projekt mit jedem Album in eine weitere schöne Klangwelt mitgenommen. Ich finde es bewunderns- und bemerkenswert, wie sie zugleich sich verändern und treubleiben.
Flut
Nun also mit Orchester. Mit dem aus vielen jungen Leuten bestehenden Orchester beginnt auch das Konzert, und nach einer Art Begrüßungs-Rezitativ des Dirigenten Wolfgang Rögner kommen Heidi Pixner (Harfe), Herbert Pixner (Harmonika, Flügelhorn, Saxophon, Klarinette, Trompete, Guitaret), Manuel Randi (Gitarren) und Werner Unterlercher (Baß) mit auf die Bühne und steigen ein. Der Rausch beginnt. Die bekannten Stücke leben durch andere Klangkörper anders. Das Orchester singt manchmal im Hintergrund, manchmal erzeugt es eine Druckwelle, in der die Pixners mal eine stille Insel sind, mal das vorwärts drängende Boot auf dem höchsten, schäumenden Kamm. Egal ob tosendes Wasser, ob spiegelnder Bergsee: Die vier spielen wunderbar. Sie unterhalten sich mittels Musik. Fröhlich, heftig, zart, verzweifelt. Alles. Und immer echt, unaufgesetzt, für sich selbst stehend, offen. Immer brilliant gespielt. Und sie sind einfach sowas von anwesend.
Nukleus
Sie spielen ausschließlich Eigenkompositionen, nichts traditionell Volksmusikalisches. Es ist ein stetes Entdecken, welches Orchesterregister nun diese oder jene geliebte Passage übernimmt und welche Verzierungen die beiden Arrangeure Jakob Wagner und Alex Trebo in Noten-Stein meißelten. Fasziniert stelle ich fest, daß die Stücke in der Quartett-Besetzung bereits alles enthalten, was nun durch ein ganzes Orchester ausbuchstabiert wird. Es ist alles schon da. In a nutshell. Eine Nußschale, erfahren auf allen Weltmeeren.
Flotten-Improvisieren
Ich war vor dem Konzert gespannt gewesen, wie die ständige lebhafte, gefühlvolle und höchst situative Improvisation des Pixner-Quartetts mit einem verschriftlichten Orchesterspiel zusammengeht. Gut, würde ich nun sagen. Sie schaffen es, Raum für Improvisation zu behalten und darin durch die Symphoniker unterstützt zu werden. Ich habe zwar schon den Eindruck, daß die Pixners im Zusammenspiel mit dem Orchester nicht komplett in die Extreme gehen können und die Takte oder Parts mehr im Hinterkopf behalten, als wenn sie zu viert völlig frei und aufeinander eingespielt loslegen. Aber mit Orchesterbegleitung sind Festlegungen unumgänglich und es beeindruckt mich, wie ausgeprägt trotz dieser das Herbert Pixner Projekt seine Magie der Unmittelbarkeit und tiefen Leichtigkeit entfaltet. Und wie bewegend es ist, wie sich die vier samt Orchester der Bandbreite von leise zu laut, schnell zu langsam, einer und viele bedienen und diese Dynamiken genußvoll ausbreiten.
What else?
- Die Licht-Techniker zaubern mit an den Stimmungen und Räumen. Nicht aufdringlich, sondern unterstützend. Einmal mysthisch recht dunkel von hinten nur das Quartett beleuchtet.
- Wenn die Orchesterspieler gerade pausieren, betrachten sie die Herbert-Pixner-Projektler aufmerksam und anerkennend. Bisweilen sehen sie sich auch gegenseitig an und nicken lächelnd.
- Besondere Aufmerksamkeit erfahren die Soli von Vroni Schnattinger – eine improvisierende Violine hört man selten.
- In den Zugaben gibt es noch ein umfangreiches Schlagzeugsolo von Mario Gonzi, begleitet vom Percussionisten Max Castlunger und der Paukistin der Symphoniker.
Oh
Vor den Zugaben: Standing Ovations. Eine Woge der Begeisterung.
Und ganz zuletzt, unsere inneren Strudel sanft beruhigend: Das Schlaflied Ninna Nanna. Zärtlich, süß und ganz klein.
Danke, Herbert Pixner Projekt, für Eure schöne Musik, Lost Elysion, danke.
PS: Abgesehen davon, daß das Herbert Pixner Projekt meine Lieblingsband ist, ist mir Herbert Pixner ein Vorbild in Sachen eigener Weg. Er handelt und gestaltet nach seiner Fasson und behält sich konsequent seine Unabhängigkeit: Eigenes Label, eigene CD-Hülle, selbstgemachte Websites, … Fad ist ihm sicher nicht. Offensichtlich behält er gerne das Ganze in der Hand. Und offensichtlich führt das zu ganz eigenen Ergebnissen. Sie sprechen für sich.
Heike, 20. November 2019